Bei der Frühgeborenen-Retinopathie (Retinopathia praematurorum/ ROP) handelt es sich um eine Netzhauterkrankung bei Frühgeborenen, die ein bestimmtes Entwicklungsstadium noch nicht erreicht haben und in deren Verlauf es zu Netzhautschädigungen, Verminderung der Sehstärke oder im schlimmsten Fall zur Erblindung kommen kann. Neue Forschungsergebnisse, Screenings und eine verbesserte Früherkennung verbessern eine erfolgreiche Behandlung. Im folgenden Artikel erfahren Sie alles Wichtige über die Frühgeborenen-Retinopathie.
Frühgeborenen-Retinopathie: Ursachen
Durch eine stetig steigende Frühgeborenenrate, auch bedingt durch ein zunehmendes Alter der Gebärenden und einer Zunahme der Zwillingsschwangerschaften aufgrund von künstlicher Befruchtung, kommt es in immer mehr Fällen zu einer Frühgeborenen-Retinopathie. Mehr als 9% der in Deutschland zur Welt gekommenen Neugeborenen gelten als Frühgeborene (vor der 37. Schwangerschaftswoche) und zählen damit zur potenziellen Risikogruppe.
Eine Kombination aus der nicht vollständigen Entwicklung des Kindes und der künstlichen Beatmung durch hochdosierten Sauerstoff führt zu einer Schädigung der Netzhaut und einer Störung bei der Ausbildung funktionierender Netzhautgefäße. Des weiteren ist das Alter des Säuglings bei der Geburt eine weitere Einflussgröße für einen wesentlichen Effekt auf das ROP-Risiko. Das Risiko einer ROP-Erkrankung steigt, je geringer die Schwangerschaftswoche ist in der das Frühgeborene zur Welt kommt. Nicht endgültig geklärt ist der Zusammenhang von einem niedrigen Gewicht (< 2000g) mit der Ausbildung einer Frühgeborenen-Retinopathie.
Frühgeborenen-Retinopathie: Symptome
Ein Grundproblem bei den Symptomen der Frühgeborenen-Retinopathie ist, dass Frühgeborene diese nicht mitteilen können und nur ein engmaschiges Screening Veränderung der Netzhaut, Einblutungen oder Sehstörungen sichtbar macht. Im Rahmen einer Sauerstofftherapie eines Frühgeborenen kann es bei erhöhten Druck des Sauerstoffs zu einer Engstellung von Gefäßen kommen, in deren Verlauf sich die Gefäße verschließen oder veröden.
Im weiteren Verlauf reagiert der Körper auf den Verschluss der Gefäße und es kann zu einer Ausbildung neuer Gefäße im Glaskörper des Auges kommen. Deren Wachstum löst Zug auf die Netzhaut aus und führt so zu deren Ablösung. Eine weitere Komplikation können bindegewebsartige Verwachsungen bzw. Verklebungen sein, die unter Umständen zu einer Ausbildung eines Glaukoms führen.
Frühgeborenen-Retinopathie: Diagnostik
Frühgeborene werden nicht primär auffällig, wenn sie von einer Retinopathie betroffen sind. Die meisten Kinderkliniken haben deshalb engmaschige Kontroll-Programme entwickelt, bei denen mittels einer Ophthalmoskopie Netzhaut und Makula und alle Netzhautgefäße auf pathologische Veränderungen untersucht werden. Meist sind beide Augen betroffen und Veränderungen nach 3 Wochen nach der Geburt zu erkennen.
Sollten Veränderungen erkennbar sein, lassen sich diese in fünf Stadien einteilen:
- Stadium 1: Grau-weißliche Line zwischen normaler, gut durchbluteter und unreifer, nicht gut durchbluteter Netzhaut sichtbar.
- Stadium 2: Erhabenee weiße Linie zwischen normaler und unreifer Netzhaut, von der erste abnormale Gefäßverzweigungen abgehen.
- Stadium 3: Bildung neuer Gefäße und weitere Wucherungen von Bindegewebe am Rand der weißen Linie. Neu gebildete Gefäße wachsen z.B. in den Glaskörper. Es kommt zu ersten Blutungen und Trübungen.
- Stadium 4: Teile des Netzhautrandes sind abgelöst (Partielle Netzhautablösung) und können die Makula betreffen. Diese kann aber auch durchaus noch intakt sein.
- Stadium 5: Es kommt zu einer kompletten, trichterförmigen Ablösung der Netzhaut des Auges (Komplette Netzhautablösung).
Frühgeborenen-Retinopathie: Therapie
Eine Therapie der Frühgeborenen-Retinopathie ist immer eine Einzelfallentscheidung, bei der viele Faktoren berücksichtigt werden müssen. Es gibt dennoch einige Verfahren, die sich in der klinischen Anwendung erfolgreich bewährt haben.
Milde Formen der Frühgeborenen-Retinopathie (Stadien 1 und 2) können sich spontan zurückbilden und gelten als geheilt, wenn die Netzhautgefäße komplett ausgebildet sind und die Entwicklung der Netzhaut abgeschlossen ist.
Jenseits Stadium 2 kommt meist die gut erforschte Lasertherapie zum Einsatz (Laserkoagulation), mit deren Hilfe Gefäße verödet und die Netzhaut am Augenhintergrund befestigt werden sollen. Ein weiteres Verfahren ist die Vereisung (Kryokoakulation) fehlerhaft gebildeter Gefäße, die die Erblindungsrate bei schwerer Frühgeborenen-Retinopathie um bis zu 50% senken kann.
Liegt das 4. oder 5. Stadium einer ROP mit Netzhautablösung vor, dann ist ein operativer Eingriff, die sog. Vitrektomie nötig. Bei diesem Verfahren werden beschädigte Teile des Glaskörpers entfernt, um die Sehkraft des Säuglings wieder herzustellen.
Neuste Studien zeigen, dass auch eine Behandlung mit sog. VEGF-Inhibitioren zu Erfolgen in den ersten beiden Stadien führen kann. Dabei unterbinden die Inhibitioren das krankhafte Gefäßwachstum im Auges des Säuglings. Erfolgreiche Anwendung findet das Verfahren schon zur Behandlung der Makuladegeneration bei älteren Menschen. Für Säuglinge befindet sich dieses Verfahren aber erst in der klinischen Erforschung und wird aktuell getestet.
Wird eine Retinopathia praematurorum nicht außerreichend oder richtig therapiert, kann sie zur Blindheit des Säuglings führen.
Wichtig: Auch nach einer erfolgreichen Behandlung kann es im weiteren Verlauf der kindlichen Entwicklung zu Spätkomplikationen wie Kurzsichtigkeit (Myopie), Strabismus (Schielen) oder der Ausbildung eines Glaukoms kommen. Es wird empfohlen, dass das betroffene Kind im weiteren Verlauf ihres Lebens eine regelmäßige augenärztliche Betreuung und Kontrollen erhält. Achten Sie deshalb immer auf eine gute und regelmäßige Nachsorge bei Ihrem Kind.
Quellen:
Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer-Verlag, Heidelberg, 31. Auflage, 2012.
Obladen, M.: Neugeborenenintensivpflege: Grundlagen und Richtlinien. Springer-Verlag, Heidelberg, 6. Auflage, 2002.
Pleyer, U. (Hrsg.): Entzündliche Augenerkrankungen. Springer-Verlag, Heidelberg, 1. Auflage, 2014.