StartErkrankungenArteriitis temporalis (Riesenzellarteriitis): Diagnose & Therapie

Arteriitis temporalis (Riesenzellarteriitis): Diagnose & Therapie

Die Arteriitis temporalis, auch Riesenzellarteriitis (RZA) genannt, ist eine Autoimmunerkrankung, die mit entzündlichen Erkrankungen der Blutgefäße einhergeht (rheumatische Gefäßerkrankung). Sie betrifft häufig die großen und mittleren Schlagadern im Kopf oder in der Schläfenregion. Betroffene leiden meist unter pochenden Kopfschmerzen oder Schmerzen beim Kauen. Bei rund einem Drittel der Patienten kann die Krankheit die Gefäße des Auges betreffen und zu einer ungenügenden Durchblutung der Sehnervenpapille führen. Betroffene leiden unter Sehstörungen und können unbehandelt im schlimmsten Fall erblinden. Erfahren Sie hier mehr.

Arteriitis temporalis: Ursachen

Die genauen Ursachen einer Riesenzellarteriitis sind bisher nicht bekannt. Aufgrund der höheren Anzahl an Neu-Erkrankten in Ballungsräumen und jahreszeitlichen Schwankungen geht man vom Einfluss verschiedener Umweltfaktoren aus. Man weiß, dass die Arteriitis temporalis durch eine Fehlfunktion des körpereignen Immunsystems ausgelöst wird. Dabei wenden sich die T-Zellen des Immunsystems nicht nur gegen Viren und Bakterien, sondern auch gegen körpereigene Zellen der Gefäßwände. In der Folge kommt es zur Ausbildung einer chronischen Entzündung, die man mikroskopisch an besonders großen Zellen (Riesenzellen) erkennen kann.

Im Verlauf der Riesenzellarteriitis kommt es dazu, dass sich Zellen in und an den Gefäßwänden vermehren und so zu einer Verengung der betroffenen Gefäße führen. So kommt es vor allem bei starker körperlicher Belastung zu einer Mangeldurchblutung im Versorgungsgebiet der betroffenen Gefäße und wichtige Nährstoffe oder Sauerstoff können nicht zu den Organen transportiert werden. Dies kann zu einer dauerhaften Schädigung der unterversorgten Körperregion oder des betroffenen Organs führen.

Häufigkeit

In Deutschland liegt die Anzahl der Neu-Erkrankungen bei 3,5 auf 100.000 Einwohner pro Jahr in der Altersgruppe über 50 Jahre. Frauen sind dabei 2- bis 6-mal häufiger betroffen als Männer. Die Häufigkeit an einer Riesenzellarteriitis zu erkranken nimmt nach dem 50. Lebensjahre mit jedem Jahr weiter zu. Zudem ist bekannt, dass ein genetischer Einfluss innerhalb einer Familie besteht.


Arteriitis temporalis: Symptome

Häufig treten die Symptome einer Arteriitis temporalis bei Betroffenen auf, die das 50. Lebensjahr überschritten haben. Typisch sind beidseitig auftretende Schläfenkopfschmerzen oder ein Dauerkopfschmerz. Zuvor kann es schon zu Krankheitssymptomen an den Augen, dem Herz, dem Kreislauf oder dem Nervensystem kommen.

Kopfschmerzen bei Arteriitis temporalis

Bei etwa Dreiviertel der betroffenen Patienten treten Schläfenkopfschmerzen auf, die konstant anhaltend Schmerzen bereiten. Diese werden von Betroffenen als bohrend oder stechend beschrieben. Zeitweilig aussetzende und unterschiedlich starke Kopfschmerzen kommen nur in seltenen Fällen vor. Oft verstärken sich die Schmerzen, wenn Betroffene den Kopf drehen, husten oder kauen. In diesem Fall ist eine Arterie von der Riesenzellarteriitis betroffen, die die Kaumuskulatur mit Nährstoffen und Sauerstoff versorgt. Kommt es aufgrund der geschädigten Arterie zu einer Unterversorgung, treten beim Patienten Schmerzen im Bereich der Schläfe auf.

Kopfschmerzen bei Arteriitis temporalis
© sebra / stock.adobe.com

Sehstörungen bei Riesenzellarteriitis

Etwa 70 % der Betroffenen klagen über Sehstörungen, die von einer Mangeldurchblutung der Netzhaut oder des Sehnervs verursacht werden. Betrifft die Arteriitis temporalis Gefäße am Auge, können sowohl Augenmuskeln als auch der Sehnerv in ihrer Funktion eingeschränkt sein. Der entzündungsbedingte Verschluss einer Augenarterie macht sich durch einen schmerzlosen und plötzlichen Gesichtsfeldausfall oder flüchtige Sehaussetzer (Amaurosis fugax) bemerkbar.

Weitere Sehbeeinträchtigungen können das Sehen von Doppelbildern oder Schleiern sein. Unbehandelt droht bei einer Riesenzellarteriitis mit Beteiligung der Augen innerhalb weniger Tage bis Wochen die Erblindung auf einem oder sogar beiden Augen.

Symptome bei Polymyalgia rheumatica

In 40-60 % der Fälle tritt die Riesenzellarteriitis im Rahmen einer Polymyalgia rheumatica (entzündlich-rheumatische Erkrankung) auf. Beide Erkrankungen zeigen überlappende Symptome, schubartige Akut-Phasen und ein gutes Ansprechverhalten auf eine Kortikosteroide-Therapie. Neben den typischen Symptomen einer Arteriitis temporalis leiden Betroffene zusätzlich unter Schmerzen im Becken, der Nackenmuskulatur oder der Schulter. Zudem kann es zu einer Morgensteifigkeit kommen, die im Laufe des Tages abnimmt.

Weitere unspezifische Symptome

Begleitend oder schon einige Zeit bevor die typischen Kopfschmerzen einer Arteriitis temporalis auftreten, kann es zu unspezifischen Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust oder Nachtschweiß kommen. Ist allein die Aorta (Hauptschlagader) oder eine andere große Arterie betroffen, kann Fieber der einzige Hinweis auf eine Riesenzellarteriitis sein.


Diagnose und Untersuchungen bei Arteriitis temporalis

Eine Arteriitis temporalis wird nach einer Interpretation aller Symptome, der klinischen Befunde, bildgebenden Verfahren und Ergebnisse von Laboruntersuchungen diagnostiziert. Bei dem Verdacht auf eine Riesenzellarteriitis ist ein Facharzt für Neurologie oder Rheumatologie der richtige Ansprechpartner. Diesem dienen die vom American College of Rheumatology (ACR) publizierten Kriterien für die Riesenzellarteriitis als Anhaltspunkt für die Diagnostik der Erkrankung.

Dafür finden zunächst ein Arztgespräch und eine körperliche Untersuchung des Patienten statt. Bei einem Krankheitsverdacht erfolgt im Anschluss eine anschließende Bildgebung (Sonographie, MRT, PET) und ggf. eine Gewebeentnahme (Biopsie) zur weiteren Diagnostik. Eine Blutuntersuchung kann zudem Hinweise auf erhöhte Entzündungswerte und eine beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit geben.

Klinische Untersuchungen

Zu den klinischen Untersuchungen gehört die Palpation (manuelles Ertasten) der Schläfenarterie, das Abhören der Arterien, wie der Arteria subclavia und Arteria axillaris, sowie eine beidseitige Blutdruckmessung, um einseitige Gefäßverengungen zu identifizieren.

Bildgebende Verfahren

In den meisten Fällen wird eine Duplexsonografie (Ultraschall) der Schläfenarterien und Gefäße außerhalb des Kopfes durchgeführt, um eventuelle Gefäßveränderungen darzustellen. Die Schläfenarterie kann zudem mit einer Magnetresonanztomographie (MRT) beurteilt werden. Dafür wird den Betroffenen vorab ein Kontrastmittel in eine Vene gespritzt, um Gefäßveränderungen unter dem Kopf-MRT sichtbar zu machen.

Noch genauer kann eine Einschränkung der Blutversorgung durch die Arteriitis temporalis mit der Positronenemissionstomographie (PET) untersucht werden. Der Untersuchungsablauf ist ähnlich dem einer MRT-Untersuchung. Eine Positronenemissionstomographie kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn die Aorta (Hauptschlagader) oder ein anderes Organsystem betroffen ist. Gerade, wenn eine Biopsie keine genaue Diagnose zulässt, kann eine PET nötig sein.

Biopsie

Eine Biopsie der Schläfenarterie gilt als sicherste Methode zum Nachweis einer Arteriitis temporalis. Die Biopsie erfolgt einseitig und kann unter lokaler Betäubung durchgeführt werden. Um eine geeignete Stelle zu finden, kann eine Duplexsonografie oder eine MRT sinnvoll sein. In der Regel wird ein etwa 2,5 cm langes Arterienstück entfernt, um dieses anschließend histologisch zu untersuchen.

Unter dem Mikroskop zeigen sich bei einer vorliegenden Riesenzellarteriitis entzündliche Wandinfiltrate der Arterie. Die Gefäßwand ist oft nicht komplett entzündet, sondern abschnittsweise befallen. Liegt ein Entzündungsherd vor, ist dies beweisend für eine RZA. Liegt keine Entzündung vor, schließt dies eine Riesenzellarteriitis nicht aus.


Arteriitis temporalis: Behandlung

Zur Behandlung empfiehlt die europäische Rheumatologengesellschaft eine sofortige Therapie mit Kortikosteroiden (Kortisonpräparaten), startend mit 1 mg je Kilogramm Körpergewicht am Tag (maximal 60 mg). Diese Form der Therapie wird die ersten vier Wochen nach Diagnose der Erkrankung empfohlen.

Kommt es zu einer Normalisierung der Entzündungswerte im Blut oder verschwinden die Beschwerden durch die Therapie, kann die Dosierung der Kortikosteroide kontinuierlich herabgesetzt werden. In Abhängigkeit vom Ansprechen der Therapie kann diese in Intervallschritten von 1-2 Wochen um jeweils 10 mg reduziert werden. Unterhalb einer Dosis von 30 mg kann das Kortikosteroid um 2,5 mg alle zwei Wochen bis auf 10 mg reduziert werden. Ab 10 mg/Tag wird die Dosis monatlich um 1 mg reduziert bis die am niedrigsten-effektive Dosis erreicht ist.

Da bei langer Therapiedauer mit Kortisonpräparaten einige unerwünschte Nebenwirkungen auftreten können, werden zusätzlich Medikamente zur Einnahme empfohlen. Innerhalb der ersten zehn Jahre entwickeln über 80 % der Patienten Nebenwirkungen wie Diabetes mellitus, Osteoporose einen Grauen Star oder eine arterielle Hypertonie.

Zur Osteoporoseprophylaxe wird eine begleitende Therapie mit Vitamin D und Kalzium empfohlen. Dazu kann ein sog. Protonenhemmer zum Schutz der Magenschleimhaut eingenommen werden. Um möglichen Gefäßverschlüssen vorzubeugen ist zudem die Einnahme von Acetylsalicylsäure (z. B. Aspirin) ratsam. Zudem sollte der Blutzucker in regelmäßigen Abständen kontrolliert und bei Bedarf behandelt werden.


Arteriitis temporalis: Prognose

Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie können bei fast allen Patienten die Beschwerden dauerhaft gelindert werden. In wenigen Fällen tritt die Erkrankung leider wiederholt auf oder geht in eine chronische Form über. Ohne Diagnose und Therapie erblinden ca. 30 % der betroffenen Patienten an einer Riesenzellarteriitis.


Quellen:
Diener, H.-C. (Hrsg.): Kopfschmerzen. Thieme Verlag, Stuttgart, 1. Auflage, 2003.
Schmidt. D.: Tipps und Tricks für den Augenarzt: Problemlösungen von A-Z. Springer Medizin Verlag, Heidelberg, 1.Auflage, 2008.

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