Als hängendes Augenlid (Ptosis) bezeichnet man in der Augenheilkunde das teilweise oder vollständige Herabhängen eines Oberlids oder beider Oberlider der Augen. Eine Ptosis kann angeboren oder erworben sein. Oft liegt der Grund in einer Schädigung einzelner Lidmuskeln oder der entsprechenden Nerven.
Die Definition einer Ptosis
Unter einer Ptosis (griech.: „Fall“) verstehen Mediziner das vollständige oder auch teilweise Herabhängen eines oder beider Oberlider (Blepharoptosis). Typisch ist, dass Betroffene das Lid nicht oder nur unter großer Mühe anheben können. Das hängende Augenlid kann einen Teil der Pupille verdecken und zu Sichteinschränkungen führen.
Bei vielen Betroffenen kommt es zu unbewussten Kompensationsmechanismen, wie einer anormalen Kopfhaltung oder einem angehobenen Kinn, um die Sicht aus der verkleinerten Lidspalte zu verbessern. Die Ptosis kann in jedem Alter auftreten, ist insgesamt aber eher selten. Bei Kindern kann ein hängendes Augenlid zur Ausbildung einer Schwachsichtigkeit (Amblyopie) führen.
Wichtig: Die Ptosis sollte immer von einer Pseudoptosis unterschieden werden. Eine Pseudoptosis ist zwar auch durch die hängenden Augenlider charakterisiert, allerdings liegen hier zu große Augenlider der Störung der Lidhaltung zugrunde. Diese können z. B. Ausdruck nachlassender Bindegewebsspannung der Haut im Alter sein.
Ptosis: Ursachen
Je nach Klassifizierung der Ursachen des hängenden Augenlides wird zwischen angeworbener oder erworbener Ptose unterschieden.
Erst verschiedene Tests und Untersuchungen helfen dabei, die zugrundeliegende Ursache zu ermitteln und eine dementsprechende Diagnose zu stellen.
Angeborene Ptose
In vielen Fällen liegt eine nervale Funktionsstörung vor, bei der bestimmte Nervengebiete im Gehirn (sog. „Oculomotorius-Kerne“, 3. Hirnnerv) unter- oder gar nicht entwickelt sind. Dies führt dazu, dass Nervenimpulse nicht richtig an den Lidhebermuskel weitergeleitet werden.
Gut zu wissen: In der Folge sind meist beide Augen von einem hängenden Augenlid betroffen.
Eine weitere Ursache einer angeborenen Ptosis kann eine Fehlbildung oder Unterentwicklung des Muskels sein, der für die Hebung des Lids verantwortlich ist (Musculus levator palpebrae superioris). In diesem Fall sind die Nevengebiete im Gehirn meist intakt, der Muskel kann die gesendeten Nervenimpulse jedoch aufgrund seiner Unterentwicklung nicht richtig verarbeiten. Es kommt – meist einseitig – zu einem hängendem Augenlid.
Erworbene Ptose
Eine mögliche Form ist die sogenannte Ptosis paralytica. Bei dieser kommt es zu einer Lähmung des Nervs (N. oculomotorius), der den Lidhebermuskel invertiert und Augenbewegung verantwortlich ist. Häufig tritt eine Ptosis paralytica infolge eines Schlaganfalls auf. Darüber hinaus können auch eine Gehirnentzündung oder eine Hirnhautentzündung (Meningitis) ursächlich für diese Form sein. Da der Nerv auch weitere Muskeln des Auges steuert, kann es bei betroffenen Patienten auch zu einem Lähmungsschielen kommen.
Die Ptosis sympathica wird durch eine Schädigung des sympathischen Nervensystems im Halsbereich verursacht. Diese Form ist meist nur leicht bis mittelgradig ausgeprägt und betrifft nur die glatte Muskelatur der Augenlider. Häufig trifft die Ptosis sympathica gemeinsam mit einer verkleinerten Pupille (Miosis) und einem eingesunkenen Auge (Enophthalmus) auf. Gemeinsam bilden diese Symptome das sogenannte „Horner-Syndrom“.
In seltenen Fällen können auch eine Muskelerkrankung, zum Beispiel eine Myasthenia gravis (Muskelschwäche) oder ein Muskelschwund (myotoner Dystrophie), hängende Augenlider verursachen. Diese Form wird dann als myogene Ptosis bezeichnet.
Auch äußere Einwirkungen, wie traumatische Verletzungen, können eine Ptose verursachen. Darüber hinaus können auch bestimmte Neurotoxine oder eine Lebensmittelvergiftung zur eingeschränkten Funktionsfähigkeit der Augenmuskeln und einem hängendem Lid führen.
Die Diagnose
Der Augenarzt erhebt zunächst die Krankengeschichte des Patienten (Anamnese). Außerdem erkundigt er sich, seit wann das hängende Augenlid besteht und ob sich das Herabhängen des Lides eventuell im Laufe des Tages verstärkt (Hinweis auf eine Myasthenia gravis). Daraus können Rückschlüsse gezogen werden, welche Ursache dem Herabhängen des Oberlids zugrunde liegen könnten. Erst dann folgt die richtige Therapie.
Ein einseitiges Herabhängen des Augenlides weist meist auf eine Schädigung oder Lähmung der Nerven hin.
Tritt das hängende Augenlid beidseitig auf, ist dies oft Zeichen einer muskulären Ursache. Stellt der Arzt zudem ein eingesunkenes Auge (Enophthalmus) und eine verkleinerte Pupille (Miosis) fest, sind dies Anzeichen eines Horner-Syndrom.
Simpson-Test
Der Simpson Test wird zum klinischen Nachweis einer krankhaften Muskelschwäche (Myasthenia gravis) angewendet. Er führt zu einer starken Belastung des Lidhebers und provoziert dessen Ermüdung.
Dafür blickt der Patient bei gerader Kopfhaltung mindestens eine Minute extrem nach oben ohne dabei den Kopf in den Nacken zu legen. Bei dieser Haltung ist eine konstante Anspannung des Lidhebers notwendig. Sinkt dabei das Oberlid eines Auges oder beider Augen langsam ab, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Myasthenia gravis vor.
Bildgebende Verfahren
Vermutet der Arzt einen Tumor als Ursache für die Ptosis, kann dieser mit bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanztomographie oder Computertomographie sichtbar gemacht. Diese erlauben auch Rückschlüsse darüber, ob Nerven oder Muskeln geschädigt wurden.
Die Behandlung von angeborener Ptosis
Eine angeborene Ptosis behandelt der Arzt mit einer operativen Anhebung des hängenden Oberlides. Dabei stehen unterschiedliche Methoden zur Auswahl. So kann der Arzt entweder den Lidhebermuskel verkürzen oder aber das Augenlid am Stirnhebermuskel aufhängen.
Beide Operationsverfahren haben das Ziel, die Ausbildung einer Schwachsichtigkeit zu verhindern (Gefahr der Amblyopie). Betroffene Kinder werden aus diesem Grund bereits im Säuglingsalter operiert oder spätestens dann, wenn herunterhängende Lid mehr als die Hälfte der Pupille abdeckt.
Die Augenlidkorrektur gehört heute zu den häufigsten Eingriffen der plastischen Chirurgie.
Dementsprechend sind die verschiedenen Operationstechniken hoch entwickelt und vielfach erprobt – für einen geübten plastischen Chirurgen handelt es sich um einen Routineeingriff. Gelegentlich führt die operative Augenlidkorrektur allerdings dazu, dass Patienten vor allem nachts ihr Auge nicht mehr komplett verschließen könne. In diesem Fall verhindern spezielle Augentropfen (Tränenersatzmittel) das Austrocknen des Auges.
Erworbene Ptosis: Behandlung
In einem ersten Schritt behandelt man immer erst die Grunderkrankung. Handelt es sich dabei um eine vorübergehende Lähmung des Muskels oder eine Verletzung an den Nerven, wartet man zunächst ab. Sind Nerven und Muskeln nicht irreversibel geschädigt, bilden sich die Ptose nicht selten von selbst wieder zurück. Einen operativen Eingriff empfiehlt man erst nach einer Wartezeit von mindestens sechs Monaten.
Liegt eine Tumorerkrankung vor, dann kann diese mittels einer angemessenen Chemotherapie behandelt werden. Zusätzlich kann ein operativer Eingriff zur Entfernung des Tumors stattfinden.
Ptosisbrille
Zur vorübergehenden Linderung der Ptosis oder zur Überbrückung der Zeit bis zur Operation kann auch eine sogenannte Ptosisbrille angewendet werden. Diese ist mit einem kleinen Steg versehen, der das hängende etwas Augenlid anhebt und so den Blick des betroffenen Patienten öffnet.
Behandlungskosten
Bei den Behandlungskosten unterscheiden die Krankenkasse ganz klar zwischen einem medizinisch indizierten und einem kosmetischen Eingriff. Liegt eine medizinischen Indikationen vor, werden alle Behandlungskosten von den Krankenkasse getragen. Handelt es sich jedoch um eine rein kosmetischen Eingriff, sind die Kosten der Operation vom Patienten zu tragen.
Ptosis: Prognose
Die Prognose bei einer Ptosis ist in der Regel positiv. Handelt es sich um die angeborene Form, genügt es zumeist, das hängende Oberlid operativ anzuheben. Bei ca. 80 % der operativen Augenlidkorrekturen wird ein kosmetisch zufriedenstellendes Ergebnis erzielt.
Liegt eine Myasthenia gravis vor, kann es sein, dass sich die Lidfehlstellung unter medikamentöser Behandlung von selbst wieder zurückbildet. Alternativ kann die Ptosis nach einigen Monaten operativ korrigiert werden. Eine deutlich schlechtere Prognose besteht bei einer Ptosis, die auf einen Schlaganfall, Nerven- oder Muskelerkrankungen zurückgehen. Hierbei kann das Augenlid zwar operativ wieder in die richtige Position gebracht werden, andere Symptome der Erkrankungen können allerdings eine vollständige Genesung verhindern oder immer wieder zum Absinken eines oder beider Augenlider führen.
Quellen:
Burk, A. & Burk, R.: Checkliste Augenheilkunde. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 6. Auflage, 2018.
Grehn, F.: Augenheilkunde. Springer-Verlag, Heidelberg, 31. Auflage, 2012.
Kampik, A. & Grehn, F.: Augenärztliche Differenzialdiagnose. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2. Auflage, 2008.
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