Unter dem Begriff Ektropium versteht man in der Augenheilkunde eine vom Auge abstehende, erworbene Auswärtsdrehung des Augenlides – meistens des Unterlides. Die Folge ist, dass sich die Ränder des Lides den Augapfel nicht berühren. Es kommt zu einem vermehrten Tränenfluss und einer, durch die Austrocknung der Schleimhaut bedingte, Rötung des Auges.
Ektropium: Einführung
Im Normalfall schließen Ober- und Unterlid des Auges dicht und verhindern die Verdunstung der Tränenflüssigkeit oder schützen das Auge vor Verletzungen.
Ist die Lidkante des Auges nach außen gedreht, treffen die beiden Augenlider nicht richtig aufeinander und die Tränen können nicht mehr richtig über den gesamten Augapfel verteilt werden.
Zudem kann der Bindehautsack freiliegen. Ein Ektropium ist in der Regel nicht angeboren, sondern wird im Laufe des Lebens erworben.
Das Ektropium betrifft besonders ältere Menschen, bei denen es zu einer zunehmenden Erschlaffung des Gewebes der Lider kommt, sowie Patienten die durch Infektionen, chirurgische Eingriffe oder Verletzungen unter Veränderungen an den Augen leiden.
Das Gegenteil eines Ektropiums ist das Entropium, bei dem es zu einer Einwärtswendung sowohl am Unter- als auch am Oberlid kommen kann.
Ektropium: Formen
Es werden grundsätzlich drei Formen eines Ektropiums unterschieden. Je nach Form kann man häufig auf mögliche, auslösende Faktoren schließen.
- Ectropium senile: Eine Erschlaffung des Halteapparats des Unterlids im höheren Lebensalter führt zu einem Ectropium senile (auch: Ectropium atonicum). Bei dieser Form liegt meistens eine verminderte Spannung des ringförmigen Schließmuskels des Auges (Musculus orbicularis oculi) vor. Durch das so entstehende Missverhältnis zur Zugkraft des Lidöffner-Muskels rollt sich das Augelid nach außen. Das altersbedingte Ectropium senile ist die häufigste Form und kommt nur am Unterlid vor.
- Ectropium paralyticum: Das paralytische Ektropium ist die Folge einer Lähmung des Musculus orbitalis oculi (Augenringmuskel) durch einen geschädigten Nervus facialis (auch: Fazialparese). Auch hierbei kommt es zu einer Erschlaffung der Muskulatur, die ein Auswärtsdrehen des Augenlids nach sich zieht. Diese Form kann sowohl Unter- als auch am Oberlid auftreten.
- Ectropium cicatriceum: Beim Ectropium cicatriceum sind narbige Verletzungen und eine Schrumpfung oder Verziehung der Lidhaut die Ursache dafür, dass es zu einer Auswärtswendung des Augenlides kommt. Auch diese Form kann sowohl Unter- als auch am Oberlid betreffen und zum Beispiel die Folge verschiedener Augenerkrankungen oder einer vorangegangenen kosmetischen Augenlidoperation sein.
In sehr seltenen Fällen kann ein Ektropium angeboren sein (Ectropium congenitum) und hat seine Ursachen in Veränderungen innerhalb der DNA. Es wird vermutet, dass eine fehlende Ausbildung der Lidplatte bei der embryonalen Entwicklung des Kindes im Mutterbauch der Grund für ein Ectropium congenitum ist.
Ektropium: Symptome
Kommt es zur Auswärtsdrehung eines der Augenlider, führt dies zu einer Reizung des betroffenen Auges. Durch den Kontaktverlust der Lidkante zur Augenoberfläche ist die Lidkantenfunktion eingeschränkt.
Die Horn- und Bindehaut können nicht mehr ausreichend befeuchtet werden und trocknen daher schnell aus. In vielen Fällen treten zudem folgende Symptome auf:
- Chronische Bindehautentzündung
- Rötung der Augen
- Juckreiz und Brennen
- Fremdkörpergefühl
- Tränenträufeln (Epiphora)
- Probleme beim komplette Augenverschluss
Erfolgt keine Behandlung des Ektropiums drohen weitere Komplikationen und Symptome. Ist die Hornhaut dauerhaft zu trocken, kann sie sich ebenfalls entzünden.
Dies kann zu einer Hornhautentzündung (Keratokonjunktivitis) oder Verletzung des Hornhautepithels führen. Dabei können folgende Symptome auftreten:
- Eingeschränktes Sehvermögen
- Trübung der Hornhaut
- Augeschmerzen
- Erhöhte Lichtempfindlichkeit des betroffenen Auges
Ektropium: Diagnose
Ein Ektropium diagnostiziert der Augenarzt schnell anhand der auffälligen Lidfehlstellung. Die anschließende Untersuchung mit der Spaltlampe dient vielmehr der Bestimmung des Ausmaßes der Erkrankung sowie möglicher Begleiterscheinungen.
Dafür kontrolliert der Augenarzt den inneren Lidwinkel, das Tränenpünktchen, die Spannung des Augenlids sowie den Zustand der Binde- und Hornhaut.
In Anhängigkeit vermuteter Ursachen können weitere Test erforderlich sein. Falls der Augenarzt eine Infektion vermutet, kann er einen Abstrich durchführen, um die Art der Keime bestimmen zu lassen.
Beim Verdacht auf ein paralytisches Ektropium wird die Funktion des jeweils versorgenden Gesichtsnervs im Rahmen neurologischer Untersuchungen kontrolliert. Hier kooperiert der Augenarzt gegebenenfalls mit Ärzten anderer Fachrichtungen.
Ektropium: Therapie
Bei einem Ektropium bestimmt die Ursache der Lidfehlstellung die Behandlung. Bei einem vorübergehenden Ektropium ist das erste Mittel der Wahl zumeist die Gabe von Augensalben und -tropfen um die Augenoberfläche feucht zu halten und Infektionen oder Hornhautschäden vorzubeugen.
Bei entzündlich bedingten Lidschwellungen finden häufig eine Therapie mit entzündungshemmenden Medikamenten Anwendung.
Besteht die Auswärtsdrehung des Augenlides jedoch langfristig, muss dieses meist operativ korrigiert werden, um mögliche Langzeitschäden am Auge zu verhindern.
Dafür stehen verschiedene Korrekturoperationen zur Verfügung, die meistens unter örtlicher Betäubung durchgeführt werden können.
Therapie Ektropium senile
Kommt es zu einem Ektropium im höheren Lebensalter, wird eine Lidstraffung durchgeführt, um die verminderte Lidspannung zu erhöhen, die Lidfehlstellung zu korrigieren und Augenschäden vorzubeugen.
Dafür wird die Lidaufhängung verkürzt, das Augenlid gestrafft und im nötigen Maße angehoben. Ziel der Operation ist es immer, dass sich das Augenlid an den Augapfel anlegt, die Binde- und Hornhaut geschützt sind und die Augenoberfläche wieder hinreichend befeuchtet werden kann.
Therapie Ektropium paralyticum
Ist eine Auswärtsdrehung des Augenlides aufgrund einer Lähmung des Nervus facialis entstanden, bildet sich dieses oft spontan oder im Laufe von Monaten wieder von allein zurück.
Hier genügen – je nach Schweregrad der Lähmung – die vorübergehende Gabe von Augentropfen und die Anwendung eines sogenannten Uhrglasverbandes, um die Austrocknung der Hornhaut zu verhindern. Als Uhrglasverband wird ein Pflasterverband mit einer gewölbten, uhrglasförmigen Plexiglasscheibe in der Mitte bezeichnet.
Bleibt die Gesichtslähmung allerdings bestehen, ist auch in diesem Fall eine operative Maßnahme notwendig, um Horn- und Bindehaut besser zu schützen und die Muskelfunktion des Musculus orbitalis oculi wiederherzustellen.
Therapie Ektropium cicatriceum
Wurde das Augenlid durch Narben oder Hauterkrankungen verkürzt wurde, kann eine Narbenoperation (Z-Plastik) bei der Entlastung des Augenlides helfen. Außerdem kann eine Hauttransplantation zu Milderung der Gewebespannung beitragen.
Ist ein Tumor Ursache des Ektropiums, so besteht die Therapie im Normalfall darin, den Tumor nach Möglichkeit operativ komplett zu entfernen. Anschließend daran erfolgt eine Wiederherstellung der Lidspannung durch weitere operative oder therapeutische Maßnahmen.
Ektropium: Prognose
Bei einem frühzeitigen und ausreichenden Therapiebeginn zeigen Ektropien einen günstigen Verlauf, mit guter Prognose für das Auge. Sie heilen – in Abhängigkeit der Ursache – aus, ohne langfristige Folgeschäden zu verursachen.
Um die Regeneration nicht zu gefährden, sollten Sie nach einer Operation 14 Tage einplanen, an dem Sie sportliche Aktivitäten, Saunagänge oder starke Sonneneinstrahlung meiden.
Die Behandlung des paralytischen Ektropiums erfordert Geduld von den Patienten. Oftmals dauert es eine gewisse Zeit, bis sich der Gesichtsnerv wieder erholt hat und das Lid sich wieder einwärts dreht. Je nach Schwere dieser Form kann es bis zu einem halben Jahr dauern, bis die Funktion wieder vollständig hergestellt ist.
Wird die Auswärtsdrehung des Lids nicht behandelt, führt diese zunehmend zu stärkeren Beschwerden mit der Gefahr einer chronischen Bindehautentzündung.
Daneben kann im weiteren Verlauf auch eine Hornhautentzündung entstehen. Diese kann wiederum kann in einer dauerhaften Schädigung der Hornhaut mit einem stark eingeschränkten Sehvermögen, Narbenbildung oder einer Ablösung der Hornhaut münden.
Im schlimmsten Fall droht den betroffenen Patienten die Erblindung auf dem erkranktem Auge.