Der Mensch besitzt fünf Sinne (Riechen, Hören, Schmecken, Fühlen und Sehen), die es ihm ermöglichen, seine Umwelt mit all ihren Reizen zu entdecken. Die Augen haben daran einen wichtigen Anteil. Trotzdem kommt es oft zu Verwirrungen der Sinne, sogenannten optischen Täuschungen. Wir erklären wieso!
Optische Täuschung: Einleitung
Etwa 80 Prozent der Informationen über die Außenwelt, die unser Gehirn erhält, nehmen wir mit den Augen auf. Daher wird das Sehen auch als Tor zum Verständnis unseres Gehirns angesehen. Unsere Wahrnehmung arbeitet dabei eher pragmatisch und strebt immer nach der einfachsten Lösung. Sie nimmt hierbei aber auch Kompromisse in Kauf.
Optische Täuschungen sind Wahrnehmungstäuschungen, welche alle Wahrnehmungsarten des Sehens betreffen. Solche Illusionen, unter anderem die Tiefenillusionen, Bewegungsillusionen, Farbillusionen, geometrische Illusionen und einige mehr, beruhen auf der Tatsache, dass die Wahrnehmung subjektiv ist und vom Gehirn beeinflusst wird.
Das Gehirn vermischt den Sehreiz mit vorhandenen Erfahrungen und Erinnerungen und erzeugt so ein falsches Bild. Wir sehen also Dinge, obwohl diese so nicht existieren (können).
Optische Täuschung bei der Bewegungswahrnehmung
Alles ist in Bewegung; somit ist es nicht verwunderlich, dass die Wahrnehmung von Bewegungen und damit verbunden deren Täuschungen eine unserer wichtigsten Wahrnehmungsarten ist. Sie ist innerhalb der Evolution bereits sehr früh angelegt worden. Sich bewegende Tiere waren entweder Beute oder Jäger, vor denen man fliehen musste.
Drei Arten der Bewegungswahrnehmung
- Gegenüber einem festen Hintergrund bewegt sich ein Objekt. Die Augen machen hierbei keine Bewegung, sondern bleiben ruhig. Die Bewegungswahrnehmung resultiert allein aus der Bewegung des Bildes auf der Netzhaut.
- Ein sich bewegendes Objekt wird über Folgebewegungen mit den Augen direkt verfolgt. Die Bilder des angeblickten Objektes auf der Netzhaut bleiben relativ stabil, jedoch bewegt sich die Umgebung des Objektes. Der im Verhältnis zum Objekt bewegte Hintergrund erzeugt nun die Bewegungswahrnehmung.
- Ein leuchtender Punkt (bspw. glimmende Zigarette) wird in einem dunklen Raum bewegt und mit den Augen verfolgt. Selbst ohne jeglichen Bezug zwischen einem Objekt und dem Hintergrund wird das Gefühl der Bewegung erzeugt. Dies beweist, dass allein die Bewegung der Augen ausreicht, um Bewegung als solche zu erkennen.
Um den Eindruck scheinbarer Bewegung zu erhalten, müssen entweder Kopf und/oder Augen bewegt werden oder eine Bewegung durch das periphere Sehen wahrgenommen werden. Bei der letzteren Variante wird die Bewegung auf der Netzhaut durch Stellen wahrgenommen, welche nicht im Zentrum der Netzhaut, sondern in der Peripherie liegen.
Eine Täuschung des Bewegungssinnes lässt sich ebenso bei Objekten betrachten, bei welchen keinerlei Anhaltspunkte für die räumliche Lage des Objektes zum Hintergrund bestehen. So scheint sich ein Stern am Nachthimmel zu bewegen, obwohl die tatsächliche Bewegung viel zu gering ist um eine echte Bewegungswahrnehmung feststellen zu können.
Auch ohne jegliche Kopf- oder Augenbewegungen können statische Objekte eine optische Täuschung als Bewegungsillusion hervorrufen. Die Ursache sind sich wiederholende Muster mit voneinander abweichenden starken Kontrasten.
Optische Täuschungen bei der Größenwahrnehmung
Das Phänomen der Größenkonstanz spielt eine große Rolle innerhalb der menschlichen Wahrnehmung. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Entfernung und Orientierung erkennen wir alle Dinge unserer Umwelt in einer anderen Größe als sie in Wirklichkeit sind. Eine der wichtigsten Leistungen der visuellen Wahrnehmung ist es, Größenabschätzungen genau durchzuführen. So lässt sich eine relativ gute Orientierung in der dreidimensionalen Welt sicherstellen.
Als Größenkonstanz wird die Fähigkeit des visuellen Systems bezeichnet, Objekte trotz unterschiedlicher Entfernung in annähernd konstanter Größe wahrzunehmen. Mit dem Prinzip der Größenkonstanz verfolgt unser Wahrnehmungssystem das Ziel, räumliche Einflüsse zwischen der Objektwelt und uns auszugleichen.
Die Bildverarbeitung im Gehirn geht davon aus, dass Gegenstände mit zunehmender Entfernung kleiner werden. Die Dinge werden durch unsere Wahrnehmung sowie Erfahrung in ihrer Größe auf ihre wirklichen Ausmaße hin korrigiert.
Ponzo-Täuschung
Dieses Prinzip lässt sich an der Ponzo-Täuschung sehr gut veranschaulichen. Diese optische Täuschung kann durch die räumliche Größeneinordnung erklärt werden.
Die beiden schrägen Linien vermitteln den starken räumlichen Eindruck zweier paralleler Linien, die in großer Tiefe ihren Fluchtpunkt haben; wie es bspw. bei Eisenbahnschienen der Fall ist (daher auch die Bezeichnung railway lines illusion).
Aufgrund der räumlichen Interpretation scheint deshalb der obere Querbalken im Vergleich zum unteren in größerer räumlicher Tiefe zu liegen. Durch das Phänomen der Größenkonstanz müsste das obere Element jedoch tatsächlich kleiner sein als das untere um als gleich groß wahrgenommen zu werden.
Da jedoch beide Balken gleich große Netzhautbilder erzeugen, wirkt der obere Balken größer. Die Größenkonstanz ermöglicht es uns, identische Sinneseindrücke in Abhängigkeit von ihrer scheinbaren Tiefe als verschieden groß wahrzunehmen; wie etwa die zwei identischen senkrechten Linien bei der Müller-Lyer’schen Täuschung: Sehen wir die Linie sehr nahe, nehmen wir sie kleiner wahr, als wenn wir dieselbe Linie einer größeren Tiefe zuordnen.
Optische Täuschungen, welche sich dem Spiel mit der Größenkonstanz bedienen, werden sich in Architektur, Fotografie und Film unter dem Begriff erzwungene Perspektive zu Nutze gemacht. Mithilfe dieses Prinzips lassen sich Objekte für den Betrachter größer oder weiter entfernt erscheinen.
Optische Täuschung bei der Helligkeitswahrnehmung
Wir Menschen nehmen Unterschiede in Helligkeiten eher sehr subjektiv wahr. Unsere Wahrnehmung versucht mithilfe der Helligkeitskonstanz Unterschiede gezielt anzupassen. Die Helligkeitskonstanz macht die Wahrnehmung weitestgehend unabhängig von situativ unterschiedlichen Lichtintensitäten. Der Helligkeitseindruck einer Fläche hängt stark von ihrer Umgebung ab und ist eher unabhängig vom Betrag des Lichts selbst.
Vor einem dunklen Hintergrund wirkt eine helle Fläche viel heller als vor einem hellen Hintergrund. Hierbei spielt das Verhältnis der Licht-Intensitäten eine entscheidende Rolle. Allerdings ist die Helligkeitsempfindung einer Fläche oder eines Gegenstands stets abhängig von umgebenden Elementen. Diese Art von Phänomenen der Helligkeitskonstanz wird Relativkontrast bezeichnet.
Schachbrett-Illusion
Die unten abgebildete optische Täuschung „Schachbrett-Illusion“ von Edward Adelson kennen viele wahrscheinlich bereits. Es verdeutlicht noch einmal, dass Menschen Helligkeiten von Flächen nicht absolut bewerten.
Die menschliche Wahrnehmung ist darauf ausgelegt, die weiße Fläche im Schatten noch als weiß zu identifizieren und bedient sich daher einiger Tricks. So kann eine weiße Fläche im Schatten dunkler sein als eine schwarze Fläche in der Sonne. Das Wahrnehmungssystem neigt dazu, weiche Helligkeitsübergänge zu ignorieren.
Solche Übergänge stammen laut gespeicherter Gehirninformationen meistens von Schatten, die das Gehirn in diesem Fall versucht so gut es geht herauszurechnen, um die „echte“ Farbe beurteilen zu können. Dabei haben die mit A und B markierten Flächen in Wirklichkeit exakt die gleiche Farbe.
Optische Täuschungen bei der Farbwahrnehmung
Die Besonderheit der Farbwahrnehmung besteht darin, dass schon sehr kleine Unterschiede in der Wellenlänge größte Unterschiede in der Farbempfindung auslösen. Diese Unterschiede sind dabei von Person zu Person stark variabel. Unsere Empfindung von Farben kann demzufolge schnell ausgetrickst werden.
So bezeichnet man den Nachbild-Effekt auch als Phantombilder. Diese werden auch dann noch empfunden, wenn der zugrunde liegende Lichtreiz abgeklungen ist. Genau genommen handelt es sich um ein negatives Nachbild. Am deutlichsten sind sie als helle Flecken nach einem Blick in die Sonne oder in eine Glühlampe. Sie erscheinen jedoch auch nach schwächeren Lichteindrücken, wenn man danach die Augen schließt oder abdeckt.
Bei Phantombildern erscheinen Farben invertiert, d.h. dass Farben folglich in ihrer Komplementärfarbe wahrgenommen werden kann (bspw. Gelb zu Blau). Ursache dafür ist das Ausbleichen spezifischer Stoffe der Sinnesrezeptoren unserer Netzhaut.
Wenn die Netzhaut über einen längeren Zeitraum einem bestimmten, unveränderten visuellen Reiz ausgesetzt ist (also man immer auf das gleiche Bild schaut), dann ist die chemische Reaktionsfähigkeit der Sinneszellen verbraucht. Das Auge kann neue Reize vorerst nicht mehr verarbeiten und benötigt einige Sekunden, um sich wieder zu regenerieren.
Genau in dieser Regenerationszeit entstehen die Nachbild-Illusionen. Ein Nachbild ist umso deutlicher, je größer die homogenen Flächen des Objekts sind, je schärfer die Helligkeits- und/oder Farbkontraste an ihren Konturen sind, und je länger und je starrer das Objekt fixiert worden ist.
Erklärungsansätze für das Entstehen eines Nachbildes finden sich in der Dreifarbentheorie und in der Gegenfarbtheorie. Eine weitere wichtige Rolle spielen die sakkadischen Augenbewegungen. Diese verhindern, dass eine Sinneszelle durch den immer gleichen Farbreiz überlastet wird.
Dieser ständige Wechsel des Sehfeldes ist vergleichbar mit Bildschirmschonern für Computer, die ebenfalls eine Überlastung oder ein einbrennen der Bildschirmpunkte durch den immer gleichen Lichtstrahl verhindern sollen. Übrigens: Die Netzhaut des Auges reagiert empfindlicher auf Helligkeit als auf Farbe. Dies reflektiert vereinfachend das Sprichwort „nachts sind alle Katzen grau“, denn bei Dunkelheit können wir keine Farben differenzieren und unschärfer sehen.
Quellen:
Adelson’s Checker-Shadow Illusion, https://www.illusionsindex.org/ir/checkershadow
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